Haben Sie sich auch schon mal gewundert, wer sich die Zeit nimmt, um bei Amazon seitenfüllende Produktbewertungen zu schreiben? Ohne Zweifel, es gibt solche selbstlosen Zeitgenossen. Andererseits drängen sich Zweifel auf, ob es wirklich tausende von Käufer gibt, die mehrere Stunden ihres Lebens opfern, um geringwertige Produkte detailliert zu beschreiben und zu bewerten. Der Zweifel täuscht nicht! Tatsächlich ist es so, dass es mittlerweile leider Usus ist, dass Bewertungen nicht von objektiven Käufern geschrieben, sondern von Unternehmen in Auftrag gegeben werden. Ghostwriter schreiben was Ihnen in die Feder diktiert wird. In diesem Artikel zeigen wir, wie unverfroren die Verkäufer vorgehen.
Wo ein Bedarf, da ein Markt
Eine der grundlegenden Theorien der Volkswirtschaftslehre besagt, dass ein Markt entsteht, wenn ein Bedürfnis unbefriedigt ist. Ein findiger Unternehmer wird nämlich mit der Bedürfnisbefriedigung Geld verdienen wollen. Eine Nachfrage ruft also eine Reaktion auf Angebotsseite hervor. Bei einem legalen Produkt treffen sich die Akteure auf Marktplätze, bei weniger legalen Produkten wandert der Handel in den Untergrund.
Am Morgen des 5.8. erreichte uns diese E-Mail eines Web-Dienstleisters, die – leider wiedermal – zeigt, dass manche Regeln und Theorien im Internetzeitalter angepasst werden müssen.
Hier der Wortlaut der E-Mail im Originaltext (Fehler im Originaltext vorhanden):
Sehr geehrte Damen und Herren, Es wird Zeit für 5 Sterne! Ihre Mitbewerber sind schon dabei! Wir möchten Ihnen positive Bewertungen vermitteln, damit Sie Ihren Umsatz steigern können. Folgende Portale lassen wir bewerten:
- Idealo
- Trusted-Shops
- günstiger.de
- Ausgezeichnet.org
- Billiger.de
- Geizhals
- Trustpilot
Ein kurzer Besuch auf die Webseite der Bewertungs-Fabrik verschafft einen guten Überblick über das ganze Arsenal der selbsternannten Traumerfüller und die aufgerufenen Preise.
Die Bewertungs-Fabrik ist bei weitem kein Monopolist. Dutzende andere Anbieter mit ähnlichem Angebot und Preisen findet man innerhalb kürzester Zeit.
Kauf von Bewertungen strafbar?
§263 des Strafgesetzbuches definiert Betrug wie folgt: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Was der Gesetzgeber hiermit ziemlich verklausuliert kodifiziert, ist das schlichte Verbot, Geschäftspartner durch Vorspiegelung falscher Tatsachen übers Ohr zu ziehen.
Wir bei ionas haben unsere Stärke in der IT, wir sind keine Juristen. Der Verkauf von guten Bewertungen hat für uns aber mehr als nur einen Beigeschmack von Betrug. Denn man muss davon ausgehen, dass sich heutzutage viele Internetsurfer in Ihren Entscheidungen durch Bewertungen zumindest leiten lassen. Wenn dann ein Anbieter mit ehrlichen Bewertungen einem Anbieter mit einem künstlich gepushten Bewertungsprofil Bewertungen unterliegt, dann darf sich der Käufer und der ehrliche Anbieter durchaus betrogen fühlen.
Wir werden versuchen, eine Stellungnahme von einem Anwalt zu dieser Frage zu bekommen und hier ergänzen.
Zahnloser Rechtsstaat, fahrlässige Bewertungsportale
Dass die Anbieter mit dieser juristischen Einordnung durchaus rechnen, sieht man daran, dass sie allesamt ihren Sitz außerhalb von Deutschland haben und die verfügbaren Unternehmensangaben sehr dürftig sind. Hinter der Bewertungs-Fabrik steht eine VLIMC mit Sitz in Zypern, HQlike ist eine britische Gesellschaft, positive-bewertungen-kaufen.de ist eine Marketing Agentur in Spanien.
Gegen den Verkauf von Bewertungen lässt sich aber ähnlich wenig ausrichten wie gegen den unsäglichen Adressbuchschwindel, bei dem die Politik auch schon seit Jahren scheitert, gutgläubige Existenzgründer zu schützen.
Keine Staatsanwaltschaft hat – verständlicherweise – große Lust, die knappen Kapazitäten mit diesem undankbaren Thema zu beschäftigen, das keine Existenzen unmittelbar bedroht. Und selbst wenn man an einen motivierten Staatsanwalt geraten sollte, dann kann man nichts ausrichten. Die Unternehmen sind reine Briefkastenfirmen. Die Haftung auf das Haftungskapital beschränkt und dieses bereits am Tag nach der Gründung für Webseite und Werbung ausgegeben. Die Geschäftsführer sind ganz zufälligerweise permanent auf Geschäftsreise im Ausland und nicht zu greifen. Kurz: Die existierenden Sanktionsmöglichkeiten sind kaum umsetzbar.
Leider tun auch die Bewertungsplattformen augenscheinlich nicht das nötige, um Bewertungsbetrug zu vermeiden. Verkäufer von Google-Bewertungen können ungehindert auf Google werben (siehe Abbildung). So profitiert auch Google selbst vom Betrug mit seinen Bewertungen. Man würde von einem Unternehmen, dass sich gerne die Verbesserung der Welt auf die Fahnen schreibt, besseres erwartet. Für Konzerne wie Google und Amazon, die sich mit Ihrer Führerschaft in der Forschung zur künstlichen Intelligenz rühmen, sollte es auch keine Problem sein, Konten von systematischen Bewertungsbetrügern ausfindig zu machen.
Glauben Sie nichts im Internet blind
Gute Bewertungen für TrustPilot, Google, Idealo und viele andere Portale lassen sich zu geringen Preise kaufen – einzeln oder mit Mengendiskount in größeren Gebinden. Die Verkaufsportale sind selbst über Google einfachst zu finden, obwohl sie offensichtlich einen betrügerischen Hintergrund haben. Der Kauf von guten Bewertungen erfordert keinen Abstieg ins Dark Net.
Was als allgemeine Regel durchgeht, gilt im Internet besonders: Glauben Sie nicht blind. Hinterfragen Sie Informationen kritisch! Glauben Sie nicht, wenn Ihnen 12 Millionen Euro versprochen werden – die werden Sie nicht bekommen. Öffnen Sie nicht gedankenlos eine Bewerbungs-E-Mail, auch wenn Sie keine Stelle ausgeschrieben haben – statt eines aussichtsreichen Kandidaten fangen Sie sich wohl eher einen Kryptotrojaner ein. Bilden Sie sich eine eigene Meinung über einen Anbieter mit Duzenden positiven Bewertungen – insbesondere wenn die Bewertungen in kürzester Zeit entstanden sind.
Wieviele Bewertungen authentisch und wieviele fake sind, ist schwer zu sagen. Man kann aber davon ausgehen, dass ein hoher Prozentsatz der Internetbewertungen nicht das Resultat ehrlicher Meinungsäußerung, sondern von gewollter Manipulation sind. ReviewMeta hat bei einer groß angelegten Analyse rund 20% aller Amazon-Bewertungen als „fake“ identifiziert. Unsere Empfehlung: Traditionelle Bewertungsinstitutionen mit einer langen Geschichte neutraler Berichterstattung wie z.B. die Stiftung Warentest bieten eine solidere Basis für Kaufentscheidungen als manipulierbare Bewertungen.
1. Oktober 2018 um 09:04 Uhr
Ein guter Beitrag, der so manchen zum Nachdenken helfen sollte.
Aber die andere Seite der Bewertungen von “echten” Kunden, die bewusst negative 1-Sterne-Bewertungen schreiben, obwohl sie trotz guter Produkte und Services nicht zufrieden zu stellen sind, auch noch Preisreduzierungen verlangen, sollte ebenso erwähnt werden. Das “Eins-Auswischen”, was viele Bewerter betreiben ist gleichermaßen unschön, auch wenn es evtl. durch freie Meinungsäußerung gedeckt ist.
Dies sollte in einem solchen Artikel ebenfalls vermerkt werden.